Mittwoch, 8. Juli 2009

Rosen unter Palmen - Folge 18

geschrieben von: Scarlet, 08.07.09 12:41

Helli zweifelte noch immer, was es mit der mysteriösen Wahrsagerin Miss Boyer und ihrer dolmetschenden Nichte auf sich hatte. Aber sie war mit Miss Wicket in dem Telefonat soeben übereingekommen, sich bei Bedarf bei ihr zu melden. Wer weiß, vielleicht würde sie ja wirklich noch eine Schwedisch-Übersetzerin brauchen, wenn sie ein Seminar bei dem leicht Dadaistisch angehauchten Alltags-Philosophen buchen würde. Gedankenversunken begab sie sich in den Speisesaal, der jetzt mit einer mobilen Trennwand abgeteilt war und dadurch nur mehr halb so groß wie am Vormittag war. Im Raum befanden sich einige Tische, die nummeriert waren und an denen je vier Personen Platz hatten. Hellis Tisch hatte die Nummer 1 und dort wartete auch schon wie verabredet ihre Freundin Paula auf sie, die beiden anderen Plätze waren noch frei. Aber kaum hatte Helli Platz genommen und wollte sich ein wenig im Saal umschauen, kam auch schon die Wahrsagerin und stellte sich vor: "Hallo, die Damen, ich bin Beverly Boyer. Ich bin heute zeitig in der Früh angekommen und ich werde bei ihnen sitzen." "Wir haben uns heute ja schon kurz kennengelernt", sagte sie an Helli gewandt, "Geht es ihnen jetzt wieder besser?" 'Ob es mir besser geht?', überlegte Helli kurz und ihr fiel ihr Kreislaufzusammenbruch ein, den sie ja am Vormittag im Speisesaal erlitten hatte, "Ja, danke, der Nachfrage, mir geht es wieder gut!" In dem Moment betrat Christian Rach den Speisesaal. Der Reihe nach zupfte er bei einigen Tischen die Tischtücher zurecht, schob die Dekoration hin oder her, richtete das Besteck korrekt aus, dann ging er zu den Fenstern, wo er die Vorhänge nach seinem Geschmack drapierte: "Sieht doch gleich viel besser aus!", rief er, bevor er sich dann alleine an einem Tisch niederließ, von wo aus er den ganzen Saal überblicken konnte. Helli überlegte, ob er nun ein Gast war oder ein Dozent oder ob er wirklich engagiert war, die Kurklinik etwas auf Vordermann zu bringen - alles war möglich, aber das würde sie schon herauskriegen - oder aber sie könnte die Wahrsagerin an ihrem Tisch fragen, die gerade versonnen mit ihrer Glaskugel spielte. "Sagen sie, Miss Boyer, sind sie wirklich Hellseherin? Ich hätte da nämlich eine Frage ...", wandte sie sich an die Tischnachbarin, die zu lachen begann. "Ich eine Wahrsagerin? Wie kommen sie denn da drauf?" "Naja ...", Helli deutete auf die Glaskugel, die vor Miss Boyer auf dem Tisch lag, "... und heute Vormittag haben sie mir doch irgendwas von 'Liebe ist ein seltsames Spiel' und 'Sturm der Liebe' erzählt?" Miss Boyer lachte schallend. "Liebe Gräfin! Als ich sie heute Vormittag zum ersten mal gesehen habe, ist mir sofort aufgefallen, wie sie denn gutaussehenden, graumelierten Herren dort drüben (sie deutete zu Rach) angesehen haben ... darauf habe ich mich bezogen! Nein, meine liebe Gräfin, ich bin keine Hellseherin, aber blind bin ich auch nicht!" Paula konnte sich ein grinsen nicht verkneifen und Helli deutete verwirrt auf die Glaskugel: "Aber ...?" "Ach das! Wissen sie, ich habe die letzte Staffel von 'Das Supertalent' gesehen, da war so ein Typ dabei, der tolle Kunststücke mit solchen Glaskugeln vorgeführt hat, das würde ich auch gerne können. Ich fange halt zunächst einmal mit einer Kugel an und steigere mich dann auf zwei und so weiter." Während sich die Damen unterhielten, trat ein Mann an ihren Tisch. Er stellte sich als Pete Lonewolf-Morgan vor. Den Name hatte Helli doch schon gehört. Achja, genau, er war doch dieser Englisch-Dozent, der alle möglichen Rechtsseminare anbot! Jetzt nahm er also an ihrem Tisch, gegenüber von Paula platz, die er fast schüchtern betrachtete, während man nun schweigend auf das Essen wartete. Pete war erst vor kurzem in den Norden Deutschlands gezogen, zum einen, weil ihn der übertriebene Leistungsdruck im Süden (genauergesagt Schwabenland) zu sehr stresste und zum anderen, weil er so in Paula Tracys Nähe sein konnte. Schon lange bewunderte er sie heimlich, schon seit er sie in einer Fernsehquizsendung gesehen hatte, wo sie ordentlich abgeräumt hatte. Er sah viel fern und seit Emma Peel war sie die erste Frau aus dem Fernsehen, für die er sich begeisterte. Dummerweise hatte Miss Tracy ihren Wohnort vor kurzem auf den Immenhof verlegt, was ihn dazu veranlasst hat, sich um eine Stelle in der Kurklinik "Rosen unter Palmen" zu bemühen. Leider brauchte man dort keinen Englisch-Lehrer mehr und so musste er sich etwas anderes einfallen lassen. Zwar hatte er keine Ahnung vom Rechtssystem, aber schließlich macht Not erfinderisch und so gab er sich als Rechtsexperte aus und bot Seminare aus diesem Bereich an. Schließlich schaute er oft am Nachmittag Boulevardmagazine, in denen Rechtsthemen behandelt werden und er ließ auch kaum einen Krimi aus. Das sollte als Grundlage reichen. Und nun hatte er sein Ziel fast erreicht: Er saß zusammen mit Paula Tracy an einem Tisch. Der Rest sollte ein Kinderspiel sein. Oder doch nicht?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen